Digitale persönliche Ansprache im Recruiting

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@unsplash (Christina Wocintechchat)

Durch die Digitalisierung, die durch die Pandemie intensiviert wurde, hat sich das Recruiting in den letzten Jahren stark verändert. Qualifizierte Mitarbeiter:innen zu finden, stellt für Unternehmen schon seit vielen Jahren eine besondere Herausforderung dar.

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sind heute notwendig, um als Recruiter oder Personalberater:in erfolgreich zu sein? Welche Technologien sollte er oder sie sich zunutze machen?

Ferdinand Friesel ist mit Leib und Seele Personalberater und  berichtet im Interview, worauf Recruiter achten sollten, um optimal passende Kandidat:innen für die zu besetzende Position zu finden.

Seit 2021 verabschiedet sich langsam aber sicher die Generation der Babyboomer und stellt damit den deutschen Arbeitsmarkt vor besondere Herausforderungen. In allen Bereichen der Wirtschaft greifen immer mehr Unternehmen auf Rekrutierung im Ausland zurück.

Ferdinand Friesel kennt die Marktsituation und begleitet die Unternehmen bei diesem Wandlungsprozess.

Seit 2007 verbindet er Menschen mit Unternehmen, hat ein Gespür dafür, wer zu einer gesuchten Position passt. Heute fokussiert er sich bei seinen Suchen auf versierte Spezialisten und Führungskräfte, aber auch Unternehmer und Gesellschafter. Dabei ist er bereits in einer frühen Phase des Prozesses involviert und nutzt immer aktiver digitale Möglichkeiten, um die On- und Offline-Welt miteinander zu verknüpfen.

Vieles gleicht dem Vertrieb: Denn letztlich geht es auch hier darum, das Vertrauen von Menschen zu gewinnen, sich seinem Gegenüber entsprechend zu positionieren und mit dem passenden Angebot zu begeistern.

Veränderungen im Recruiting

Alex: Ferdinand, du bist jetzt schon ziemlich lange im Geschäft. Wie hast du die Veränderungen des Berufsbildes „Recruiter“ wahrgenommen?

Ferdinand: Als ich 2007 als Personalberater begonnen habe, gab es noch eine klare Zweiteilung der Personalberatungsprojekte. Nachdem ich eine Suche akquiriert hatte, entwarf ich mit meinem Kunden ein möglichst exaktes Positionsprofil, legte mögliche Zielfirmen fest, um anschließend die Suche und Ansprache von Kandidat:innen mit meinen Kolleg:innen im Research zu besprechen. Und diese haben dann die passenden Personen recherchiert.

Alex: Das ist spätestens seit Mai 2018 aufgrund der DSGVO so nicht mehr möglich, oder?

Ferdinand: Genau. Dadurch gab es erste gravierende Veränderungen des Geschäftsmodells, weil es nahezu unmöglich ist, in Unternehmen mit Personen Kontakt aufzunehmen. Die Weitergabe von Durchwahlnummern oder Mobiltelefonnummern wird in den Zentralen der Unternehmen strikt abgelehnt. Daher muss die Suche auf anderen Wegen erfolgen.

Business Plattformen

Alex: Wie im Vertrieb findet man viele Kandidat:innen heute auf Social Media Kanälen wie LinkedIn oder XING. Teilweise positionieren diese sich auch bewusst dort, um zu zeigen, dass sie eine Anstellung suchen.

Ferdinand: Das stimmt. Die Suche auf Business Plattformen ist zum neuen Standard geworden. Und die Ansprache ist heute wesentlich transparenter als früher. Das gilt für beide Seiten.

Recruiting Business Plattformen
Foto: unsplash (magnet-me)

Alex: Das heißt, du musst digital versuchen, eine persönliche Verbindung aufzubauen.

Ferdinand: Absolut. Du kannst in dem Profil in vielen Fällen die Kompetenzen, Berufserfahrung und vorherige Positionen erkennen und je nachdem, was gepostet oder geteilt wird, ergibt sich auch ein Bild der Person.

So kann ich erkennen, ob jemand als Kandidat:in zum Unternehmen passt und ob es sich für mich lohnt, weitere Energie in die Kontaktaufnahme zu stecken. Umgekehrt ist es ganz genauso. Anhand meiner persönlichen Ansprache erkennt die Person auch direkt, ob es passen könnte oder nicht.

Im Recruiting aufrichtiges Interesse zeigen

Alex: Das hört sich für mich so an, als ob es auf der einen Seite ein Vorteil und gleichzeitig auch ein Nachteil ist. Welche Herausforderungen ergeben sich denn dann in der Ansprache?

Ferdinand: Es reicht nicht aus, eine interessante und spannende Position anbieten zu können. Ich muss die Person auch persönlich überzeugen, um in einen Austausch zu kommen. Gelingt mir das, werden die ersten Sekunden des Gesprächs darüber entscheiden, ob das Gespräch fortgesetzt wird oder an der Stelle endet.

Alex: Was ist den Kandidat:innen denn besonders wichtig?

Ferdinand: Ich kenne viele, die entsetzt darüber sind, dass sich die sie ansprechenden Researcher so wenig mit ihrer aktuellen Position und möglichen Karriereoptionen beschäftigen. Aufgrund des hohen Aufkommens von Anfragen sind viele auch einfach nur genervt. Es gilt also mehr denn je, authentisch zu sein und zu zeigen, dass man sich mit der Person beschäftigt hat und Vertrauen aufzubauen.

Effektiv und effizient Bewerber:innen finden

Alex: Wie sieht es denn in den Unternehmen aus, wenn dort Bewerber:innen gesucht werden? Gibt es eine Art „roten Faden“, den du den Recruitern mitgeben kannst?

Ferdinand: Jetzt rollst du mir aber den roten Teppich aus, liebe Alex. Natürlich kommen die Firmen am schnellsten und effektivsten zu interessanten Kandidat:innen, wenn sie mit professionellen und kompetenten Headhuntern arbeiten. (lacht)

Aber davon abgesehen, gibt es natürlich auch viele Dinge, die Unternehmen grundsätzlich beachten sollten, damit die Suche erfolgreich endet. Und das ist unabhängig davon, ob sie mit Externen arbeiten oder nicht. Denn das Internet bietet heute zahlreiche Möglichkeiten und Menschen informieren sich gerne vorab. Daher ist es wichtig, auch digital attraktiv zu sein.

Digitaler Unternehmensauftritt

Alex: Du meinst, auch die Unternehmen müssen auf ihren Webauftritt achten, wie sie sich nach außen zeigen?

Ferdinand: Ja klar. Da wäre zum einen die eigene Website, zum anderen aber auch die Darstellung des Unternehmens in den Social Media Kanälen. Es ist viel wichtiger als früher, für potenzielle Bewerber:innen attraktiv zu wirken. Unter dem Begriff Employer Branding werden hier eine Vielzahl von Services und Rahmenbedingungen einer Tätigkeit angesprochen. Daher schreiben viele heutzutage, dass sie zum Beispiel einen Firmen-Kindergarten, ein Firmen-Fitnessstudio oder eine hippe Kantine bieten. Das geht aber noch weiter. Obst- und Getränke, teilweise sogar eine Espressobar oder ein Barista in der Kantine sind keine Seltenheit mehr.

Daher empfehle ich ganz klar, dass sich die Unternehmen möglichst realistisch und authentisch darstellen. Spätestens, wenn es zur Zusammenarbeit kommt, wird sich ohnehin zeigen, ob das nach außen präsentierte Bild auch gelebt wird. So können sich beide Seiten eine Enttäuschung ersparen.

Authentizität und Kompetenz

Alex: Es gibt ja auch jede Menge Arbeitgeber-Bewertungsportale wie Kununu, die auch gerne von zukünftigen Mitarbeiter:innen besucht werden.

Ferdinand: Ja, diese Portale haben auch deutlich an Bedeutung zugenommen und sollten ständig überwacht werden, weil sie wichtig für die Außendarstellung eines Unternehmens sind. So ist es für mich sehr eindrücklich, dass Kommentare und Bewertungen von Mitarbeiter:innen eines Unternehmens im Internet höher bewertet werden als die Werbebotschaften, die die Firmen veröffentlichen. Und es ist wichtig, digital professionell zu kommunizieren, wenn Bewertungen von Beschäftigten oder Ehemaligen abgegeben werden. Das gesunde Mittelmaß zu finden.

Alex: Ich sehe hier sehr viel Ähnlichkeit zum Thema „Vertrieb 4.0“. Die Fähigkeit, digital zu kommunizieren, spielt heute eine große Rolle.

Ferdinand: Absolut. Und ich sehe hier auch eine deutliche Veränderung. Anspruchsvolle Kandidat:innen warten darauf, von Researchern oder Recruitern angesprochen zu werden. Das ist wie bei interessanten Immobilien. Die gehen auch „unter der Hand weg“. Das erfordert von unserer Seite ausgebildete Fähigkeiten in der persönlichen digitalen Erstansprache und die entsprechende Vorbereitung.

Online-Gespräch im Recruiting

Alex: Apropos digital und persönlich. Wie sind denn deine Erfahrungen im Online-Bewerbungsgespräch? Welche Tipps kannst du hier geben?

Webinar interaktiv
Foto: Malte Helmholdt (unsplash)

Interessante Frage! Vor einigen Jahren gab ich noch Tipps, wie man sich vor der Kamera positioniert, wo das Licht sein sollte oder welche Provider man gut nutzen kann. All das ist kaum noch notwendig, weil viele zu Video-Profis geworden sind.

Aus Sicht der Personalgewinnung ist das ein großer Vorteil, weil der Austausch unkompliziert und einfach geworden ist. Man könnte sogar sagen: Es ist der neue Standard. Ich habe Projekte gemanagt, bei denen ich bis zum Placement keinen echten Face-to-Face Kontakt zu den Kandidat:innen hatte.

Digital und persönlich

Alex: Auch hier sehe ich Parallelen zum Vertrieb. Viele Erstgespräche finden heute online statt. Gibt es etwas, was du gerne in Bezug auf die Durchführung der Online-Gespräche mitgeben möchtest?

Ferdinand: Da das Videointerview einen so hohen Stellenwert bekommen hat, kann ich nur empfehlen, sich mit dieser Technik so vertraut zu machen, dass sie wie selbstverständlich genutzt werden kann. Und das lässt sich gut üben. Ich motiviere meine Gesprächspartner:innen immer wieder dazu, Aufzeichnungen im Vorfeld vorzunehmen und sich anschließend anzuschauen. So kann man gut erkennen, wie etwas ankommt.

Alex: Meinst du damit die Bewerber:innen?

Ferdinand: Ja, für die gilt das natürlich auch. Sie können so im Vorfeld die Beantwortung der typischen Fragen nach Werten und Zielen, die in einem Bewerbungsinterview gestellt werden, aufzeichnen und Personen vorspielen, deren Meinung ihnen wichtig ist. So lässt sich auch erkennen, ob es sich um eine authentische Präsenz handelt und wie professionell etwas wirkt.

Alex: Vielen Dank, Ferdinand. Ich bin positiv überrascht, wie viele Ähnlichkeiten es bei unseren Berufen und den damit verbundenen Herausforderungen gibt. Die Regeln, die für ein Online-Meeting im Vertrieb gelten, lassen sich auch hier übertragen.

  • pünktlich sein (besser 5 oder 10 Minuten früher einschalten)
  • auf die Körpersprache achten
  • professionelle Technik einsetzen, damit es ein gutes Bild und vor allen Dingen Ton gibt
  • eine angenehme Gesprächsatmosphäre schaffen
  • gut vorbereitet sein

Virtuelle Führung

Alex: Da fällt mir ein, in den Unternehmen könnte sogar virtuell eine Führung durch´s Unternehmen stattfinden.

Teamentwicklung
Foto: Unsplash (Mimi Thian)

Ferdinand: Wenn es authentisch ist und zum Unternehmen passt, können die digitalen Möglichkeiten heute vielfältig genutzt werden.

Alex: Das klingt sehr gut. Warum nicht schon vorab die Kolleg:innen virtuell kennenlernen und den zukünftigen Arbeitsplatz?

Ferdinand: Mal sehen, wie sich die Welt weiter verändert.

Alex: Wir gehen mit. In diesem Sinne wünsche ich dir weiterhin viele erfolgreiche Vermittlungen und danke dir für dieses Interview und deinen Beitrag, lieber Ferdinand.

Wer mehr über den Headhunter erfahren möchte, kann sich gerne auf der Website umschauen.

Einen schönen Sommer ?

Ihre

Alexandra Langstrof

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